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Familie O.-U.

HERKUNFTSLAND     Tschetschenien

WOHNORT                Königstein

STATUS                     von wiederholter Abschiebung bedroht

Biografie

Die sechsköpfige Familie O.-U. (die vollständige Namensnennung und fotografische Wiedergabe wird von den Betroffenen nicht gewünscht) lebte seit 2015 in Deutschland. Ein Kind wurde in Tschetschenien geboren, ein weiteres unter dramatischen Umständen auf der Flucht durch Polen. Die beiden kleinen Kinder sind in Deutschland geboren. Aktuell sind – nach missglückter Abschiebung – alle Familienmitglieder wieder im sächsischen Königstein. Sie sind traumatisiert. 

Fluchtgrund

Sowohl Frau U. als auch Mann haben ihre unbeschwerte Jugend im Tschetschenienkrieg (1999-2009) verloren. Erst nach dem Überfall auf die Ukraine und den Bildern, die von dort nach Deutschland kamen, waren sie gegenüber den Helfern in der Lage, über ihre eigenen Erfahrungen zu sprechen, weil es genau das war, was sie selbst erlebt haben. 

Freiwillige Ausreise?

Die Familie hat nach mehrmaligen amtlichen Aufforderungen, das Land zu verlassen, die Beratung zur freiwilligen Rückkehr genutzt. Da die Voraussetzung für eine umfängliche und professionelle Beratung im Landkreis nicht klar geregelt und finanziell nicht gut untermauert ist, konnte diese nur unter mangelhaften Rahmenbedingungen durchgeführt werden. 

Abschiebung

Die Polizei kam an einem Montagabend. Die Familie musste sich beim Packen beeilen. Am Dienstag, um 7 Uhr 20, sollte ein Flugzeug von Berlin nach Moskau starten. Die Polizei fuhr sie zuerst nach Dresden, dann nach Berlin zum Flughafen. Nach der Ankunft am Flughafen in Berlin stellten die Beamten fest, dass der Charterflug bereits voll ist und die Familie deshalb zurück nach Königstein gebracht werden musste. 

Integrationsleistung

Die vier Kinder besuchen zwei weit voneinander liegende Grundschulen bzw. die ebenfalls 2 km entfernte Kita. Es ist für die Familie eine große logistische Leistung, den Tagesablauf zu organisieren, was ihr aber gut gelingt. Die Kinder wachsen wohlbehütet auf, sind selbstbewusst und halten zusammen. 

Perspektive

Die Familie hat Angst um ihre Sicherheit. Eine Ausreise im Moment ist illusorisch; die Ungewissheit zermürbt. Ein letzter Versuch, die Härtefallkommission anzurufen, wird in Erwägung gezogen. Jedenfalls würden sie weiter fliehen müssen, sollten sie nach Tschetschenien abgeschoben werden. 

News

Die Familie lebt nach wie vor gut integriert in Königstein. Nach wie vor nur geduldet. Die Mutter arbeitet an zwei Tagen in der Woche in der Kleiderkammer der Werkstatt 26, die Kinder besuchen Kita, Schule und Hort. Die Schulübergänge werden gut gemeistert. Um den Chancenaufenthalt zu bekommen, müsste die Familie nachweisen, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen kann. Was aber, wenn das aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist? Mit dem Ukraine-Krieg hat sich Vieles geändert: Alles kam wieder hoch, die Familie fing an, aus ihrem Leben in Tschetschenien zu berichten. Ihre Jugend fand im Krieg statt. Sie erzählen von Bombern über ihnen, die ihre Last abwarfen, wie sie um ihr Leben rannten, von Tagen und Nächten in  Kellern, wie sie zweimal ihr Wohnhaus abbrennen sahen. Wenn Herr O. erzählt, wie er als Halbwüchsiger mit bloßen Händen Leichenteile bergen musste, zittert er, wischt sich Tränen weg und verlässt den Raum... Er war drei Jahre inhaftiert, wurde gefoltert, ist gesundheitlich angeschlagen. Die Familie ist geflohen, weil er in Tschetschenien Feinde hat, die ihm nach dem Leben trachten.

Momentan kann niemand nach Tschetschenien abgeschoben werden, denn es gehört ja zur Russischen Föderation. Das "schützt" die Familie im Moment. Die schlimme Vergangenheit und die ungewisse Gegenwart machen die Psyche kaputt, verhindern dass die gewollte Integration des Vaters gelingt. Von seinen Freunden, Verwandten und Klassenkameraden ist kaum noch einer da oder am Leben, berichtet Herr O.. Sie alle wurden in die Armee rekrutiert und in den Ukraine-Krieg geschickt. Es ist so gut wie sicher, dass auch der Familienvater, sollte er abgeschoben werden, eingezogen würde. Aus Deutschland kommend, das die Ukraine unterstützt - es ist doch eindeutig klar, dass das passiert. Hat das BAMF, hat die Bundesregierung die aus Tschetschenien Geflohenen im Blick, denen bei Rückkehr Rekrutierung  und Tod drohen? Nicht Duldung, Abschiebung, sondern Schutz brauchen diese Familien! 
Die Helfer in Königstein unterstützen die Familie O.-U. bei Arztbesuchen, damit die posttraumatische Belastungsstörung bei Herrn O. zweifelsfrei diagnostiziert und so gut wie möglich therapiert werden kann. 

Frau U. ist eine starke, lebenstüchtige Frau, die alles für ihre Familie tut und noch anderen hilft. Am Mittwoch wird sie für ihren ehrenamtlichen Einsatz den Ehrenamtspreis der Stadt Königstein erhalten

Der gesamte Text wird nach einer Vorlage von Frau Anja Oehm, Sozialarbeiterin und Helferin der Familie, nach wenigen redaktionellen Korrekturen präsentiert.

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